Ich erinnere mich: irgendwann mit Anfang 40 saß ich bei meiner Frauenärztin, nahm meinen Mut zusammen und fragte schüchtern, ob mein immer kürzer werdender Zyklus schon irgendwas mit nahenden Wechseljahren zu tun haben könnte. „Auf gar keinen Fall, dafür sind Sie viel zu jung!“ lautete die amüsiert klingende Antwort. Thema beendet.
Einige Jahre später sitze ich nun hier, lese dieses Buch und habe das Gefühl, jemand hat mir in einem dunklen Raum die Sonnenbrille abgenommen, das Licht eingeschaltet und das Fenster geöffnet. Oh, hey, I can see clearly now! Plötzlich wird mir klar, dass nicht nur mein sich verändernder Zyklus damals schon ein eindeutiges Zeichen der Perimenopause war (ein Begriff, den ich bis jetzt noch nie gehört habe), sondern auch noch andere Symptome, die ich niemals mit den Wechseljahren in Verbindung gebracht hätte. Allen voran das nach meinem Empfinden schlimmste: fast jede Nacht zwischen 2 und 4 Uhr morgens werde ich schlagartig wach und bleibe hellwach, stundenlang. Irgendwann drückt mir die bleierne Müdigkeit dann doch noch die Augen zu … aber schon klingelt mein Wecker und so beginnt wieder ein Tag, an dem ich funktionieren muss. Egal. Wie. Müde.
Fakt ist: die Perimenopause kann schon mit Ende 30 losgehen, ist mit schleichenden Veränderungen im Hormonhaushalt meistens kaum spürbar, was sich aber mit Anfang 40 nach und nach ändert. Die eigentliche Menopause folgt meist irgendwann mit Anfang 50 und ist gekennzeichnet durch die letzte Menstruation, auf die 12 Monate lang keine weitere mehr folgt (was man natürlich erst in der Rückschau bestimmen kann). Und hier ist die Wissenslücke, die mich und wahrscheinlich viele andere Frauen so unvorbereitet da reinstolpern lässt: Ich dachte nämlich immer, erst ab der von heute auf morgen einsetzenden Menopause beginnen die Wechseljahre, dann hat man eine Zeit lang Hitzewallungen und gut ist. Falsch! Bereits in den vielen Jahren davor verändert sich der Hormonhaushalt nach und nach – und damit die hormonell gesteuerten Prozesse im ganzen Körper, mit Einfluss auf die Organe, die Knochen, die Haut, das Gehirn, unser psychisches Befinden und eben auch den Schlaf.
Ich bin der Autorin und Frauenärztin Dr. med. Sheila de Liz wirklich sehr dankbar für dieses Buch, denn sie schreibt für Laien äußerst verständlich, trennt ganz klar Fakten von Mythen und geht auch auf Grauzonen ein. Sie beschreibt die Folgen der hormonellen Umstellung in den verschiedenen Phasen der Wechseljahre auf unsere Gesundheit sehr drastisch, womit sie durchaus Angst schürt. Für sie liegt die Lösung zur Vermeidung vieler Wechseljahres-Beschwerden und Langzeitfolgen dabei einzig in der Therapie mit naturidentischen Hormonen. Sie gibt sich viel Mühe, die Vorbehalte und Ängste rund um Hormontherapien zu beseitigen, die auf katastrophalen Studien in den 90er Jahren gründen, und die Unterschiede zu der von ihr propagierten Hormontherapie zu erklären. Meine Gefühle beim Lesen waren etwas zwiegespalten, denn einerseits finde ich ihre Argumentation absolut schlüssig, andererseits nährte die Lektüre in mir den Verdacht, dass die Autorin damit ihr eigenes Geschäftsmodell unterstützt – in ihrer Praxis für Privatpatientinnen dürfte seit Erscheinen des Buches jedenfalls kräftig die Kasse klingeln.
Warum meine Frauenärztin damals nicht richtig auf meine Frage eingegangen ist? Die Autorin erklärt auch das: im Medizinstudium wird eher schlecht als recht gelehrt, was in den Wechseljahren wirklich los ist, denn auf dem Gebiet wird kaum geforscht. Betrifft ja nur die Hälfte der Bevölkerung, haha! Aber eben nicht die von Männern geprägte Welt der Wissenschaft und Medizin. (An dieser Stelle ein kleiner Querverweis zu meiner Empfehlung von „Das Patriarchat der Dinge“ von Rebekka Endler). Dazu kommt, dass die Wechseljahre in unserem Gesundheitssystem kein Thema sind, weil es hier keine Krankheit zu heilen gibt. Aufklärung und Vorsorge werden schlicht nicht bezahlt, deshalb verschwendet dafür auch kaum ein Arzt Zeit und Mühe (an Kassenpatientinnen).
Zu guter Letzt gibt es nach wie vor noch ein Tabu um dieses Thema. Es wird einfach allgemein zu wenig darüber geredet. Hallo?! Das ist wichtig! Darüber sollte am besten schon in der Schule aufgeklärt werden! Oder spätestens bei der Frauenärztin. Ich will dort wenigstens ein Faltblatt in die Hand gedrückt bekommen, um eine Orientierung zu bekommen auf meinem steinigen Weg der Selbstaufklärung. Dafür gibt es glücklicherweise mit diesem und einigen weiteren Büchern wirklich gutes Material. Man muss nur eben darauf aufmerksam gemacht werden. Was ich hiermit tue. Liebe Frauen, informiert euch – besser früher als später!
Woman on Fire
Dr. med. Sheila de Liz
Rowohlt, 2020
ISBN 9783499003172