Die einzige Frau im Raum

Eine faszinierende Frau, über die man gerne mehr erfahren möchte, die in diesem Buch aber leider blass und eindimensional bleibt.

1933 in Wien: Die hüb­sche Hed­wig Kies­ler ist mit ihren 18 Jah­ren bereits der Star in einem Skan­dal­film und wird für ihre Thea­ter­rol­le als Sisi an der Wien gefei­ert. Schnell gibt sie dem Wer­ben des rei­chen Waf­fen­fa­bri­kan­ten Fritz Man­dl nach und hei­ra­tet ihn, fin­det sich jedoch kurz dar­auf in einem gol­de­nen Käfig wie­der. Eifer­süch­tig ver­bie­tet er ihr die Schau­spie­le­rei und ver­langt von ihr ein­zig die Rol­le der schmü­cken­den Gat­tin bei Soi­reen für sei­ne poli­ti­schen Freun­de zu spie­len. Sie kommt dadurch nicht nur in die Nähe bedeu­ten­der Figu­ren des auf­stre­ben­den Faschis­mus, dar­un­ter Mus­so­li­ni und Hit­ler, son­dern hört auch vie­le ver­trau­li­che Gesprä­che mit, die ihr klar­ma­chen, wel­che Gefahr für sie selbst und ihre jüdisch-stäm­mi­ge Fami­lie besteht. Ihr gelingt die Flucht ins Aus­land und der Start in eine Kar­rie­re als Hol­ly­wood-Diva unter dem Künst­ler­na­men Hedy Lamarr. In ihrer Frei­zeit ver­wen­det sie das Wis­sen aus ihrer Ver­gan­gen­heit, um eine Tech­no­lo­gie zu ent­wi­ckeln, mit der die Treff­si­cher­heit von Tor­pe­dos im mitt­ler­wei­le ein­ge­tre­te­nen Krieg gegen das Drit­te Reich wesent­lich erhöht wer­den könn­te. Doch wie­der wird in ihr nur eine schö­ne Hül­le gese­hen und kei­ne ernst­zu­neh­men­de Wissenschaftlerin.

Gut, dass die Autorin Marie Bene­dict mit ihrem Werk auf die­se inter­es­san­te Frau auf­merk­sam macht. Wenn mich ein Buch so neu­gie­rig macht, dass ich selbst wei­ter recher­chie­re, dann spricht es eigent­lich für eine gute Sto­ry. Den­noch konn­te ich mich lei­der mit dem Schreib­stil nicht anfreun­den. Die Erzäh­lung wirkt tri­vi­al und ober­fläch­lich, sodass Hedy für mich wei­test­ge­hend blass und ein­di­men­sio­nal blieb. Ihre außer­ge­wöhn­li­che Per­sön­lich­keit und ihre Intel­li­genz konn­te ich nur erah­nen, denn Hedy scheint ein­zig von schlech­tem Gewis­sen und Reue getrie­ben. Das passt irgend­wie nicht zu dem, was ich im Inter­net über sie gele­sen habe. Dem­nach war sie eine Frau mit viel mehr (auch dunk­len) Facetten.

Erst im letz­ten Drit­tel konn­te ich so etwas wie Nähe spü­ren, als beschrie­ben wird, wie sie mit ihren euro­päi­schen Film-Kol­le­gen zusam­men sitzt und sich über die Ent­wick­lun­gen in Euro­pa aus­tauscht. Ins­be­son­de­re über die Neu­ig­kei­ten, die in den Nach­rich­ten kei­ne Erwäh­nung fin­den und die Sor­gen um Freun­de und Fami­lie schü­ren. Das Gefühl der Macht­lo­sig­keit und gleich­zei­tig die Furcht, dass man in der eben­falls juden­feind­li­chen Gesell­schaft der USA mit sei­nen Wur­zeln selbst nega­tiv auf­fal­len könn­te. Ich habe mich nie mit der Außen­wahr­neh­mung der Ame­ri­ka­ner auf die Gescheh­nis­se in der NS-Zeit vor dem Krieg beschäf­tigt. Ich wuss­te auch nicht, dass euro­päi­sche Flücht­lin­ge über­all ent­lang der Küs­te des ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nents abge­wie­sen wur­den und nach lan­ger Odys­see ein­fach wie­der zurück nach Euro­pa geschickt wur­den. Es erin­nert dumpf an aktu­el­le Bil­der von Flücht­lings­schif­fen vor den Küs­ten Europas … 

Wer sich für Hedy Lamarr inter­es­siert, fin­det mit die­sem Buch einen ers­ten Ein­stieg, ist womög­lich aber mit ande­rer Lek­tü­re bes­ser bedient.


Buchcover "Die einzige Frau im Raum" von Marie Benedict

Die ein­zi­ge Frau im Raum
Marie Bene­dict
Kie­pen­heu­er & Witsch, 2023
ISBN 9783462004922

Die­ses Buch wur­de mir als kos­ten­lo­ses Rezen­si­ons­exem­plar über Net­Gal­ley zur Ver­fü­gung gestellt.

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