Auf einer Plattform, die als Bühne für oberflächliche Selbstdarsteller berüchtigt ist, da ist das virtuelle Zuhause von @minusgold. Den Hashtag #fuermehrrealitaetaufinstagram braucht sie nicht, den lebt sie. Authentisch, ehrlich und unverstellt will sie sich dort geben, eben: ungeschönt. So zeigt sie ihren Körper, ihre Gedanken, ihren Schmerz. Mit dem Schmerz um den plötzlichen Verlust ihres Partners, der eines Morgens tot neben ihr im Bett lag, fing es an. Die damals 23-Jährige schrieb darüber auf Instagram und traf einen Nerv, kam in die Medien und wurde bekannt.
Jaqueline Scheiber trägt ihre Gefühle nach Außen – nicht, weil sie Mitleid will oder Bewunderung, sondern aus einer Notwendigkeit heraus, weil es ihr hilft, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Geteiltes Leid ist halbes Leid – so ist es tatsächlich, findet sie heraus. Für sie ist diese radikale Offenheit auch eine Methode, ihre Scham zu überwinden. Es gibt so vieles, wofür wir uns angeblich schämen sollen: Äußeres, wie den von Schönheitsnormen abweichenden Körper, aber auch Inneres, wie Gefühle von Trauer oder psychische Krankheiten. Warum sie es wichtig findet, dagegen anzukämpfen, erklärt sie in diesem Buch.
Dieses Buch ist eine schnelle Lektüre, nicht nur wegen der wenigen Seiten, sondern auch weil Jaqueline Scheiber auf den Punkt genau formuliert. Sie schreibt geradeheraus und ohne Umschweife. Dabei ist es faszinierend, wie sie mit diesen wenigen Worten so viel vermitteln kann, an Wahrheiten, Emotionen, Einsichten, die nahe gehen, weil man vielleicht selbst auch so empfindet, aber es nicht in Worte fassen kann.
Ihre Worte gehen unter die Haut und brennen noch ein wenig nach. Unbedingt empfehlenswert.
ungeschönt
Jaqueline Scheiber
Piper, 2023
EAN 9783492602204
Dieses Buch wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar über NetGalley zur Verfügung gestellt.