Unter Wölfen

Harte Schale, weicher Kern. So wirken die drei jugendlichen Fans des Florida Death Metal in diesem außergewöhnlichen Coming-of-Age-Roman, der uns bis ins düstere Norwegen führt.

Nie hät­te ich gedacht, dass in einem Son­nen­staat wie Flo­ri­da eine Musik­rich­tung wie Death Metal gedei­hen könn­te. So gesche­hen in den spä­ten 1980er Jah­ren, zu einer Zeit, als ich (noch prä­pu­ber­tär) der Neu­en Deut­schen Wel­le anhing. Somit ist der Roman „Unter Wöl­fen“ von John Wray für mich ein Blick in eine Par­al­lel­welt, fremd­ar­tig und fas­zi­nie­rend zugleich. Wie­der mal ein Buch, das mich zum Goo­geln und Spo­ti­f­y­en brach­te – Neu­gier geweckt, Neu­es entdeckt.

Der ame­ri­ka­nisch-öster­rei­chi­sche Autor beschreibt die Zeit von Bands mit Namen wie „Dei­ci­de“ (Got­tes­mord), „Obitua­ry“ (Nach­ruf) oder „Death Angel“ (Todes­en­gel). Im Mit­tel­punkt steht der Teen­ager Kip Nor­vald, der aus einer pro­ble­ma­ti­schen Fami­lie stam­mend gera­de zu sei­ner Groß­mutter nach Venice gezo­gen ist. Schnell freun­det er sich mit Les­lie an, der – schwarz, andro­gyn und in bun­te Glam-Metal-Leg­gins geklei­det – selbst inner­halb der Metal-Sze­ne eine Ziel­schei­be dar­stellt. Zusam­men mit Kira, die dem „White Trash“ Milieu ent­flie­hen will, zie­hen sie von Flo­ri­da nach Los Ange­les. Im har­ten Sound des Hea­vy Metal füh­len sie sich ver­bun­den und hel­fen ein­an­der, mit ihren see­li­schen Nar­ben und den Wir­ren des Erwach­sen­wer­dens fer­tig zu werden.

Die drei Außen­sei­ter besu­chen vie­le Kon­zer­te, so liest sich der Roman zuwei­len wie eine Samm­lung von Musik-Kri­ti­ken, wäh­rend die Cha­rak­te­re für mich eher blass blei­ben. Im zwei­ten Teil wird die Hand­lung jedoch plötz­lich so span­nend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konn­te. Als Kip mit Les­lie zusam­men nach Nor­we­gen reist, um in der extrem düs­te­ren Black Metal Sze­ne nach der ver­schwun­de­nen Kira zu suchen, wird aus dem Coming-of-Age-Roman plötz­lich ein Thril­ler mit nor­disch-mys­ti­schem Touch. Man könn­te mei­nen, was dort geschieht, ist zu ver­rückt, um wahr zu sein, doch das Inter­net ver­riet mir, dass die Rea­li­tät noch viel unglaub­li­cher war.

„Unter Wöl­fen“ liest sich wie zwei Bücher in einem – zuerst ein Abriss des Flo­ri­da Death Metal Ende der 80er Jah­re, dann eine span­nen­de Epi­so­de aus der (lei­der rea­len) düs­te­ren Band­ge­schich­te von „May­hem“ in Nor­we­gen. Inter­es­sant für Metal Heads und unvor­ein­ge­nom­me­ne Musik­lieb­ha­ber. Ande­ren hat die­ses Buch eher wenig zu bieten.


Buchcover "Unter Wölfen" von John Wray

Unter Wöl­fen
John Wray
Rowolth, 2024
ISBN 9783644010031

Die­ses E‑Book wur­de mir als kos­ten­lo­ses Rezen­si­ons­exem­plar über Net­Gal­ley zur Ver­fü­gung gestellt.

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