Apokalyptische Szenen aus aller Welt lassen mir keinen Zweifel: der Klimawandel hat begonnen. Nur, in meiner privilegierten Blase vergesse ich es immer wieder. Die aktuellen Bilder von rotbraunem Smog über NY und der Rekordhitze in Spanien wecken in mir Gefühle zwischen Klimaangst und Verdrängung, zwischen Lähmung und Kopf-in-den-Sand-Strategie. Da kommt ein Buch mit dem doppeldeutigen Titel „Über Leben in der Klimakrise“ genau recht. Die Botschaft dieses Buches gibt mir eine klare Handlungsanweisung: Rette dich, wenn du kannst! Milena Glimbovski weiß, wovon sie schreibt. Die Frage, wie man die Klimakrise aufhalten könnte, machte sie zur Pionierin der Unverpackt-Läden. Jetzt hat sich die Fragestellung geändert. Wie lernen wir, mit Klimaangst und Klimawandel zu leben?
Ihr Buch ist flüssig zu lesen, sie hält sich wenig mit Fakten und Zahlen auf, von denen es dennoch genug gibt, um verständlich zu machen, a) dass der Wandel eingesetzt hat, b) dass er sich nicht mehr abwenden lässt, und c) wer dafür verantwortlich ist: ja, die Politiker, ja, die Industrie, und ja, wir Konsumenten. Für ihre Recherchen hat sie viel mit Experten und Klimaaktivisten gesprochen. Immer sprechen diese Leute schnell. Es ist, als ob ihnen die Zeit ausgeht – es ist dringend, die Argumente und Botschaften müssen raus in die Welt, schnell, schnell! Immer stellt sie die eine Frage, aber niemand weiß wirklich, wann und in welchem Ausmaß unser System zusammenbrechen wird.
Die Worte sind aufrüttelnd und Aktionismus fordernd. Und was genau können wir nun tun? Sie schreibt, wie leid sie es war, immer wieder nach den üblichen „5 Nachhaltigkeits-Tipps für den Alltag“ gefragt zu werden. In diesem Buch geht sie weiter, listet auf, was man an Notfallausrüstung und Verhaltensweisen in petto haben sollte, falls Stromausfall, Wassermangel oder Hochwasser eintreten, verweist auf offizielle Notfallpläne und digitale Simulations-Maps zum Überprüfen, ob vielleicht ein Umzug in sichereres Gelände angebracht ist. Weiterhin gilt es aber auch, alles zu tun, um den Klimawandel zu bremsen, und dazu gehört mehr, als den Müll zu trennen, allen voran: im eigenen Umfeld diskutieren, aufklären, auf die Straße gehen und demonstrieren, Petitionen unterzeichnen, Briefe an Entscheider schreiben, laut sein.
Ihre bodenständige Betrachtung wirkt ernüchternd, gibt aber auch Hoffnung, denn es gibt Lösungsansätze. Und auch diese Erkenntnis birgt einen Funken Hoffnung in sich: Die Welt als solche wird nicht untergehen, sondern „nur“ die menschliche Zivilisation (und ein paar weitere Arten, soweit noch nicht geschehen). Wer überleben will, muss sich anpassen.
Ich hoffe, dass wir die Sicherheit, die wir so lange genossen haben, nicht länger als Selbstverständlichkeit sehen, sondern handeln. Und wir lernen, uns anzupassen an diese neue Welt, um zu überleben.
Milena Glimbovski
Über Leben in der Klimakrise
Milena Glimbovski
Ullstein, 2023
ISBN 9783548068053
Dieses Buch wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar über NetGalley zur Verfügung gestellt.