Für viele junge Männer im Nachkriegsdeutschland bot sich mit der Seefahrt eine Möglichkeit der Flucht aus Trümmern und Traumen, verheißungsvolle Abenteuer und exotische Länder, das Erkunden der Welt für Kost und Logis sowie ein Seefahrer-Gehalt entsprechend der Hierarchieleiter. Mit dem Buch „The Great Escape“ hat Julia Dellith eine Sammlung historischer Fotos aus den 50er-70er Jahren zusammengestellt, die Einblick in diese Welt gibt, denn die Fotos stammen überwiegend von Seefahrern selbst. Sie zeigen ganz unspektakuläre Impressionen von ihren Arbeitsplätzen an Bord, von Häfen und fremden Kulturen. Entsprechend ihrer Zeit und finanziellen Möglichkeiten in Bezug auf Foto-Technik sind die Bilder qualitativ ungewohnt grobkörnig, unscharf und farblich verblasst, häufig auch einfach schwarz-weiß. In meinen Augen eine wundervoll nostalgisch stimmende Ästhetik aus der Zeit der rein analogen Fotografie. Abgerundet wird die Fotosammlung mit einem nicht zu langen Essay (in deutscher und englischer Sprache) über die Entwicklung der Seefahrt und der Lebensumstände der Seeleute von der Nachkriegszeit bis heute.
Das einzige, was ich vermisst habe, sind weitere Informationen zu den einzelnen Fotos. Im Text wird erwähnt, dass die Autorin sich beim Sammeln der Fotos interessante Erinnerungen und Anekdoten zu den Bildern anhören durfte, doch diese finden sich nicht im Bildnachweis wieder. Ich hätte gern etwas mehr über die Geschichten hinter den Bildern erfahren.
Wer sich für Seefahrt und analoge Fotografie interessiert, wird viel Freude beim Blättern durch diesen Bildband haben. Ein kleines, aber feines Buch für den Wohnzimmertisch.
THE GREAT ESCAPE – Fotografien von der Seefahrt 1950–1970
Julia Dellith
Verlag Kettler, 2020
ISBN 9783862068272
Dieses Buch wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag über die Plattform Vorablesen zur Verfügung gestellt.