„Klasse und Kampf“ enthält 14 kurze Einblicke in das Leben derer, die sich in der deutschen Gesellschaft am unteren Rand bewegen, die aus „einfachen“ Verhältnissen stammen, in denen man sich finanziell gerade so über Wasser halten kann, wenn überhaupt. Von 14 Autoren mit ganz unterschiedlichen Geschichten, Erinnerungen und Erzählweisen. Die Autoren sind mehr oder weniger bekannt, haben sich mehr oder weniger aus dem Milieu, um das es geht, „hochgearbeitet“. Es sind Journalisten, Autoren, Kulturschaffende – Menschen, deren Beruf das Schreiben ist. Umso vielfältiger und reflektierter sind die Beiträge, die natürlich alle eine gewisse Distanz zum Thema zeigen, denn sie beinhalten zwar subjektive Erfahrungen, aber überwiegend in der Rückschau. Dennoch wird eindrucksvoll deutlich, wie prägend diese Erfahrungen sind und wie lang haftend die Stigmatisierung als Sprössling aus einer Arbeiterfamilie ist – sowohl durch die Außenwelt als auch in der eigenen Selbstwahrnehmung.
Für mich war dieses Buch erhellend, denn ich gehöre beschämenderweise zu denen mit dem „blinden Fleck“, wie im Vorwort erwähnt: „Deutschland gibt sich gerne als ein Land, in dem Klasse keine Rolle spielt.“ Wenn in Deutschland jemand mit niedrigem Einkommen oder Hartz IV auskommen muss, dann stimmt mit demjenigen halt etwas nicht, seien es psychische/Alkohol-/Drogen-Probleme oder mangelnder Ehrgeiz, denn das System gibt ja wohl jedem eine Chance … Wie falsch diese Denkweise ist, machen die Erfahrungen der Autoren nur zu deutlich.
Der Titel dieser Textsammlung ist jedoch auch etwas irreführend, denn es geht nicht allein um Klassismus. Wie ebenfalls im Vorwort aufgezeigt, sind auch Benachteiligungen aufgrund kultureller Hintergründe und des Geschlechts eng damit verknüpft und lassen sich nicht abgrenzen. Daher gibt es auch Texte, die viel mehr darauf fokussiert sind.
Einen Kritikpunkt meinerseits für die Auswahl der Autoren in diesem Buch möchte ich mit den Worten der Wissenschaftlerin Francis Seeck begründen: „In der Debatte zu sozialer Ausgrenzung und Klasse wird häufig nur jenen zugehört, die es ‚geschafft haben‘.“ Sie fordert dazu auf, jenen zuzuhören, „die jeden Tag um ihre Existenz kämpfen.“ Von dieser Personengruppe hätte ich mir ebenfalls Beiträge gewünscht.
Klasse und Kampf
Herausgegeben von Christian Baron und Maria Barankow
Claassen, 2021
ISBN 9783546100250
Dieses Buch wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag über die Plattform NetGalley zur Verfügung gestellt.