Ja, einiges erinnert an „Interview mit dem Vampir“: auch hier erzählt der Held seine Lebensgeschichte in der Rückschau, die Namen klingen französisch, die Mode ist barock (mit viel Gothic Chic), und es ist immer dunkel. Denn in dieser düsteren Fantasywelt wurde die Sonne durch ein ungeklärtes Mysterium verdunkelt, was die perfekten Bedingungen für den Vormarsch blutsaugender Armeen schuf. Fluch und Segen zugleich: nur wenige Männer sind durch ihre Abstammung mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet, die ihnen Vorteile im Kampf gegen Vampire verleihen. Als junger Teenager beginnt für Gabriel de Léon die Entwicklung vom gemobbten Loser zum herausragenden Superhelden. Dabei schwankt er zwischen Selbstzweifeln und Selbstüberschätzung und wirkt bis zum Schluss wie ein pubertierender Halbstarker. Die einzig interessante Figur war meiner Meinung nach Dior Lachance: eine geheimnisvolle, faszinierende Figur, die tatsächlich eine Entwicklung durchmacht, gewitzt und stark wirkt, ohne dumme Sprüche kloppen zu müssen.
Der australische Autor Jay Kristoff startet mit diesem Vampirroman eine neue Reihe. Doch leider ist mir diese zu lang und breit gewalzte Geschichte viel zu oberflächlich, kopiert munter Stilelemente und Ideen, verliert sich in Details und Klischees und das viel gelobte World Building wirkt auf mich sehr konstruiert. Aber das Schlimmste: der Held macht es trotz seines tragischen Schicksals schwer, mit ihm zu fühlen, was vielleicht auch daran liegt, dass er statt poetischer Worte nur ordinäre Zoten raushaut. Diese Geschichte berührte mich nicht und wird nicht weiter verfolgt. Positiv zu erwähnen sind die Illustrationen im Mangastil von Bon Orthwick.
Das Reich der Vampire
Jay Kristoff
Fischer Tor, 2022
ISBN 9783596700400
Dieses Buch wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag über die Plattform NetGalley zur Verfügung gestellt.