Die Passage nach Maskat

Die 20er Jahre sind Trend. Glanz und Elend der Weimarer Republik finden sich auch in diesem kleinen Krimi wieder, in der exotischen Kulisse eines Dampfschiffs Richtung Orient.

Ich ken­ne Cay Rade­ma­cher eigent­lich nur als Autor einer die­ser unzäh­li­gen Pro­vence-Kri­mi­rei­hen (die mit ihren Laven­del­bü­scheln auf dem Cover immer gleich wir­ken). Er schafft es aller­dings, ganz ohne kit­schi­ge Beschrei­bun­gen Atmo­sphä­re zu schaf­fen und sei­ne Figu­ren sind mir in ihrer erfri­schend schnör­kel­lo­sen Art sehr sym­pa­thisch. Vor allem aber kom­men die Ver­bre­chen in sei­nen Kri­mis ohne Effekt­ha­sche­rei aus und sind auf ruhi­ge Wei­se span­nend. Ent­span­nen­de Span­nungs­lek­tü­re, sozusagen. 

In die­sem Stil ist auch „Die Pas­sa­ge nach Mas­kat“ gehal­ten. Die Pro­vence wird hier nur gestreift, denn in Mar­seil­le beginnt für den Ber­li­ner Foto­jour­na­lis­ten Theo­dor Jung eine Rei­se, die sein Leben ver­än­dert. Er beglei­tet sei­ne Frau Dora und deren Fami­lie auf einer Schiffs­rei­se durch das Mit­tel­meer und durch den Suez­ka­nal bis nach Mas­kat, wo für deren Gewürz­han­del Waren ein­ge­kauft wer­den sol­len. Es ist das Jahr 1929, nur weni­ge Tage vor dem Bör­sen­crash, der die gol­de­ne Ära der Roaring Twen­ties abrupt been­de­te und das Ende der Wei­ma­rer Repu­blik ein­läu­te­te. Noch ist davon nichts zu ahnen. Die Pas­sa­gie­re genie­ßen den Luxus der ers­ten Klas­se mit ihrer exo­ti­schen Deko im damals ange­sag­ten Ägyp­ten-Stil und erle­ben sogar ein wenig Aben­teu­er­fee­ling bei Abste­chern zu den Pyra­mi­den und der Aus­gra­bungs­stät­te im Tal der Könige. 

Für Theo­dor Jung ent­wi­ckelt sich die Rei­se aller­dings nach eini­gen Tagen zu einem Alp­traum, als sei­ne Frau spur­los ver­schwin­det und sämt­li­che Mit­rei­sen­de behaup­ten, sie wäre nie an Bord gewe­sen. Eine ganz mie­se Form des Gas­light­ing, könn­te man sagen, denn Theo­dor zwei­felt natür­lich erst­mal an sei­nem Ver­stand. Ihm wird klar, dass er das Geheim­nis um ihr Ver­schwin­den bis zum Errei­chen des Ziel­ha­fens gelüf­tet haben muss, wenn er nicht – wie bald eini­ge sei­ner Mit­rei­sen­den – ein schlim­mes Ende fin­den will.

Die Geschich­te ent­wi­ckelt sich sehr gemäch­lich, ganz lang­sam baut Cay Rade­ma­cher das Sze­na­rio auf und nimmt sich Zeit, die Figu­ren zu skiz­zie­ren. Dabei fin­den wir den Glanz und das Elend der Wei­ma­rer Repu­blik kom­pri­miert auf die Pas­sa­gie­re die­ses Dampf­schiffs. Doras Bru­der zum Bei­spiel, der sich für die NSDAP begeis­tert und einen rich­ti­gen Wider­ling dar­stellt. Oder die Figur der Ani­ta Ber­ber, die es wirk­lich gab, die als skan­da­lö­se Nackt­tän­ze­rin von sich Reden mach­te und noch jung den Dro­gen zum Opfer fiel.

„Die Pas­sa­ge nach Mas­kat“ ist weni­ger Kri­mi denn Rei­se­be­schrei­bung mit Vin­ta­ge-Flair, und als sol­che habe ich sie genos­sen. Das Ende war nicht ganz nach mei­nem Geschmack – zu abrupt und mit losen Enden. Im Gan­zen aber eine ent­span­nend span­nen­de Bettlektüre.


Buchcover "Die Passage nach Maskat" von Cay Rademacher

Die Pas­sa­ge nach Mas­kat
Cay Rade­ma­cher
DuMont, 2022
ISBN 9783832181970

Die­ses Buch wur­de mir als kos­ten­lo­ses Rezen­si­ons­exem­plar über Net­Gal­ley zur Ver­fü­gung gestellt.

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